Wenn eine junge Schauspielerin auf der Bühne „Ich kriegs Kotzen“ ruft ….

Das Lustspiel bzw. analytisches Drama „Der Zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist“ (1808) wurde den Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangstufe am Donnerstag, 06.02.2025 von Schauspielern der Neuen Werkbühne München aufgeführt.

Ansgar Wilk brillierte in der Rolle des zwielichtigen Dorfrichters Adam des analytischen Dramas, dessen Handlung in einem niederländischen Dorf im Bezirk Utrecht im 18, Jahrhundert spielt und die auch heutzutage aktuellen Themen Macht, Geschlechterrollen und Suche nach Wahrheit in den Mittelpunkt rückt.

Die Figur des Gerichtsrats wurde in dieser Inszenierung auf eine Frau übertragen und somit erschien Sarah Giebel überzeugend als Frau Gerichtsrat Walter. Sie fühlt dem Dorfrichter bei ihrem Kontrollbesuch auf den Zahn und fordert die Vorgaben und Rechtsvorschriften einzuhalten. Schreiber Licht, gespielt von Theresa Andree, behielt zur Unterstützung ihres Vorgesetzten Richter Adam stets den Überblick. Unvermittelt polterte Frau Marthe Rull mit ihrer Tochter Eve und deren Verlobten Rupprecht auf die Bühne, um den Täter, der den Krug zerbrochen hat, herauszufinden. Valentin Schinle überzeugt als Tümpel Rupprecht, der so manche Hintergründe aufdeckt und letztendlich auch die Verletzung des scheinheiligen Adam mit enthüllt. Beelzebub als vermeintlicher Täter von Dorfrichter Adam ins Spiel gebracht, kann auch nicht verhindern, dass der arglistige Richter entlarvt wird.

Dieser offensichtliche Handlungsstrang auf der Bühne wird typisch für das analytische Drama zwischendurch von Rückblicken auf Vergangenes und inneren Monologen des Protagonisten Richter Adam durchzogen. Im Namen der Justiz wird so manche scheinbare Amtsposition gewahrt, auch wenn offensichtlich ist, dass der Dorfrichter nicht geeignet ist, sein Amt adäquat auszuführen und gegen Ende hin als Täter durch die gebrochene junge Eve selbst entlarvt wird.

„In eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrtum wie ein Teig geknetet zusammen.“ diagnostiziert Gerichtsrätin Walter bei Dorfrichter Adam, welcher daraufhin Eve zur Seite nimmt und ihr droht, bevor sie ihre Aussage machen kann. Der schuldige Richter verstrickt sich im Gewebe genialer Lügen und wird im Feuer des Kleist’schen Humors den Zuschauern fast sympathisch und verklärt somit den Amtsmissbrauch sowie die versuchte Misshandlung der jungen Eve.

„Ich kriegs Kotzen!“ brüllt die Jungfer Eve – und somit ist offensichtlich, dass diese Inszenierung in verschiedenen sprachlichen Elementen modernisiert wurde, was beim jugendlichen Publikum gut ankam. So mancher Zehntklässler zeigte sich danach im Austausch nachdenklich und hinterfragte, zum Teil auch kritisch die Inszenierung im anschließenden Theatergespräch.

Auch wenn dies kein abendlicher Theaterbesuch war, war trotzdem durch die Theatervorstellung auf der Bühne der Turnhalle möglich, den Schülerinnen und Schülern die persönliche Begegnung mit Schauspielarbeit in Kombination mit einem Werk, das sowohl klassische, romantische als auch naturalistische literaturgeschichtliche Kennzeichen aufweist, zu präsentieren.